Neolithischer
Wald-Feldbau
Forchtenberg
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Das Projekt:
Sollen in einem Waldland offene Flächen für den Getreideanbau geschaffen
werden, kann der Einsatz von Feuer ein geeignetes Hilfsmittel sein. Da in einem mitteleuropäischen Laubwald
normalerweise kein Waldbrand zu entfachen ist, kann keine
Brandrodung im engeren Sinn erfolgen. Es ist jedoch möglich, die
Bäume mit Beilen zu fällen, das Holz zu trocknen und damit eine
Fläche zu überbrennen.
Die Vorteile des Brandes sind hierbei:
Entfernung der Krautschicht aus Wald- und Schlagarten sowie teilweise
derer Samenbank, Nährstoffmobilisierung im Boden und -freizsetung aus der
Asche, Erhöhung des pH-Wertes und eine Erhöhung der Bodenoberflächentemperatur
durch die schwarze Farbe der Holzkohle. Es entstehen sehr günstige
Bedingungen für den Getreideanbau. Allerdings verursacht der Brand
auch Nachteile, so wird das Bodenleben beeinträchtigt und ein Teil
der Nährstoffe geht durch die Luft verloren. Meist sind Brand-rodungsflächen
nach kurzer Anbauzeit ausgelaugt und der Anbau muß weiterwandern, so daß
das Verfahren einen hohen Flächenbedarf aufweist.
Aus archäobotanischen Untersuchungen, ergaben sich Hinweise
auf Brandrodungsaktivitäten im Jung- bis Endneolithikum: In Pollenprofilen
zeigten sich hohe Holzkohlewerte im Zusammenhang mit einer Zunahme der Pollen von
Arten der Waldsukzession (Birke, Hasel), wobei Getreidepollen vorhanden sind, aber
Offenlandzeiger rar bleiben. Bei den Großresten finden sich viele Beeren und
Haselnüsse, die Getreideunkräuter zeigen fruchtbare Böden an,
insgesamt ist die Verunkrautung auffallend gering.
Mit diesen Befunden im Hintergrund erschien es sinnvoll, die Attraktivität der
Brandrodungswirtschaft für die neolithischen Bauern näher zu untersuchen.
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Versuchsfläche:
Zu diesem Zweck stellte die Landesforstverwaltung Baden-Württemberg ein x ha großes Waldstück
bei Forchtenberg am Kocher für einen Zeitraum von zunächst 20 Jahren zur Verfügung. Damit
war eine einzigartige Chance für ein Langzeitprojekt gegeben. Die Versuchsfläche wurde
bodenkundlich kartiert und in ein Raster von x Blöcken eingeteilt. Jeder Block ist 30 x 30 m groß.
Auf der Versuchsfläche befindet sich nachweislich seit mindestens 200 Jahren ein Wald, es gibt
aber Hinweise auf eine länger zurückliegende Ackernutzung (Lesesteinhaufen, Terrasse). In der
Baumschicht dominierten Esche und Ahorn den ca. 40 Jahre alten Bestand, der Vorgänger war eher
ein Eichenwald, natürlicherweise wäre aber eine feuchte Ausprägung des Buchenwaldes zu erwarten.
An Böden finden sich Pseudogleye und Parabraunerden sowie Übergänge zwischen beiden, insgesamt
stehen eher gute und eher schlechte Böden für die Versuche zur Verfügung.
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Methode:
Es werden Frühjahrs- und Herbstbrände durchgeführt, da Sommer- und
Wintergetreideanbau möglich sind und verglichen werden sollen.
Mit der Zeit hat sich eine erfolgreiche Methode für das Überbrennen
entwickelt: Zunächst wird die ausgesuchte Teilfläche eingeschlagen
und das Stammholz entfernt. Das Schwachholz wird zum Trocknen liegengelassen.
Am Brandtermin wird das Holz eingesammelt und zerkleinert zu einer Walze
aufgeschichtet. An den Seiten der zu brennenden Fläche werden ebenfalls
Holzvorräte zum Nachlegen bereitgelegt. Zeitgleich wird ein Stützfeuer
entzündet, mit dessen Glut dann die Holzwalze angezündet werden kann.
Wenn die Walze brennt, kann sie mit Hilfe langer Stangen weiterbewegt
werden, so daß Stück für Stück des Bodens überbrannt wird. Es ist
ratsam dies langsam genug und sorfältig zu machen, wenn man eine
wirklich unkrautfreie Fläche erhalten will.
Nach dem Brand kann
am folgenden Tag das Getreide angesät werden. Dies geschieht als
Einzellochsaat, die Löcher werden mit einem Stock in den Boden
gedrückt. Mit dieser Methode wird verhindert, daß keimfähige
Wildpflanzensamen aus tieferen Bodenschichten an die Oberfläche
und somit zum Keimen gelangen. Hacken ist nach dem Brand also
nicht nötig und wäre sogar kontraproduktiv. Das Getreide macht
dann nicht mehr viel Arbeit bis zur Ernte, da kaum Unkraut gejätet
werden muß. Allerdings muß das Getreide mit hohem Aufwand gegen
Mäusefraß geschützt werden.
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Ergebnisse:
In Forchtenberg werden mit der Brandmethode durchweg gute bis sehr gute Erträge erzielt,
man kann das Verfahren also als lohnend und zuverlässig bezeichnen. Da die Erträge hoch sind,
ist der Arbeitsaufwand trotz der auf den ersten Blick aufwändigen Methode akzeptabel und
realistisch im Jahreslauf zu bewältigen. Den größten Nutzen bringt das Verfahren auf schlechten
Böden, wo ein Anbau nur mit Hacken nach unseren Erfahrungen nicht gelingt, sowie bei der Besiedlung
neuer Gegenden, da gleich das erste Anbaujahr gute Erträge bringt.
Auf guten Böden scheint auch der Anbau nur mit Hacken möglich zu sein, jedoch ist bei den
Bodenverhältnissen in Forchtenberg ein Daueranbau nicht gelungen, allerdings gibt es prinzipiell bessere Böden,
wo dies wahrscheinlich möglich war.
Der Daueranbau hat sich egal mit welcher Methode als problematisch erwiesen, auch nach einmaligem
Brand erntet man nicht länger als 2-3 Jahre genug zum Überleben, es würde also tatsächlich nötig
sein, oft die Anbaufläche zu wechseln, neuen Wald zu roden und neue Flächen zu brennen. Hier wäre
eine 10-15 jährige Rotation möglich, da nach dieser Zeitspanne ein neuer junger Wald herangewachsen
ist. Hierbei ergibt sich sogar der Vorteil, daß die kleinen Bäume leichter mit dem Steinbeil zu
fällen sind als große Bäume.
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Diskussion:
Nach den Ergebnissen dieses Projektes sollte das Brandverfahren als ein mögliches Mittel neolithischer
Landbewirtschaftung ernstgenommen werden. Ob und in welchem Umfang es tatsächlich praktiziert wurde, läßt
sich mit dem experimentalarchäologischen Ansatz nicht beweisen, aber es lassen sich Umstände denken,
in denen der Einsatz von Feuer naheliegend oder vielleicht sogar geboten erscheint. Dies zeigen viele
aktuelle und historische Beispiele zum Feuereinsatz in der Landwirtschaft aus Europa und anderen Erdteilen.
Der Hauptnachteil des Brandverfahrens ist, verglichen mit anderen Getreideanbaumethoden, sein hoher Flächenbedarf.
Da das Holz einer Fläche nur für ein Viertel der Fläche zum Überbrennen reicht und die Fläche
erst nach frühestens 10 Jahren wieder genutzt werden kann, ergibt sich ein Verhältnis von
Anbaufläche zu Brache von 1:40! Damit empfiehlt sich dieses Verfahren nur bei genügend Flächenressourcen.
Allerdings ist die Brache für die Gesamtökonomie eines Haushaltes nicht wertlos, da sie womöglich eine bessere Weide
oder Sammelfrüchtequelle darstellt als der ursprüngliche Wald, denn
unabhängig vom Nutzen des Feuereinsatzes für den unmittelbaren Ackerbau, muß auch die Gestaltung
und Nutzung des gesamten Habitats durch die Menschen in einer "Landnam"-Situation ins Auge gefaßt werden.
Durch Rodung, Beweidung und Feuer wird ein ökologisch wenig abwechslungsreicher und unterwuchsarmer
Schattholzurwald diverser und vielseitig nutzbar gemacht, so daß der hohe Flächen"verbrauch" einer shifting-
cultivation nicht nur als Nachteil gesehen werden darf, sondern mehrere (postive) Effekte mit sich bringt:
Optimale Getreideerträge, Haus- und Wildtiere finden besser Futter, Förderung erwünschter nützlicher Baumarten,
mehr Sammelfrüchte (z.B. Beeren), größere Artenvielfalt an Tieren und Pflanzen, Jäger- und Sammlertätigkeiten
werden dadurch lukrativer, größere Flexibilität in Notzeiten (schlechte Getreideerträge), Veränderung des
Mikroklimas und der Böden, "Nischen" für neue Tier und Pflanzenarten inkl. der Nutztiere und -pflanzen.
Stephen J. Pyne schreibt in seinem Buch "Vestal Fire" bezogen auf Iversens "Landnam"-Modell:
"With tool, tooth, and torch, agriculturalists began to rearrange the forest,
selectively killing, pollarding, planting, stripping.(...) Landnam (...) promoted a greater
diversity of plants and animals and allowed agriculturalists to insert their own cultigens into the cracks. The
economy of a Neolithic culture was mixed and opportunistic. It included cattle and swine, a few goats and sheep; it
grew primitive cereals and pulses; and it foraged and hunted. For the former, it had to create habitats, and for
the latter, to restore them. Cutting and burning accomplished both tasks." Für jemanden, der nur Steinbeile
und allenfalls primitive Hacken und Pflüge besitzt, ist Feuer ein großartiges Werkzeug, die Umwelt nach seinen
Wünschen und für seine Zwecke zu gestalten!
So betrachtet, wäre shifting-cultivation
kein unnötiger Arbeitsaufwand (bezogen auf postulierte hohe Erträge bei Daueranbau), sondern da man auch für
andere Zwecke rodet und brennt und offenhält, sinken die "Kosten" für den Aufwand für den Getreideanbau,gleichzeitig
genießt man die beschriebenen Vorteile. Nicht vergessen werden darf trotzdem, daß auch andere Faktoren als der
Getreideanbau auf den Wald einwirkten, so wurden bestimmte Baumarten zur Viehfuttergewinnung geschneitelt und
Holz wurde zum Kochen, Heizen und Bauen gebraucht. Dabei wird vor allem das Schwachholz begehrt gewesen sein,
da dicke Baumstämme mit neolithischen Werkzeugen nur mit hohem Aufwand zu zerlegen sind. Ein Niederwaldwirtschaft
wäre hier günstig, allerdings hat sie einen niedrigeren Holzertrag pro Fläche als ein Hochwald. Spricht das gegen
shifting-cultivation? Einerseits besteht eine Konkurrenz beim Schwachholzbedarf zu anderen Nutzungen, andererseits
führt gerade die 10-15 jährige Brachezeit zu den leicht zu bewirtschaftenden Niederwäldern.
Der Mensch wird oft nur als
Zerstörer der Natur wahrgenommen, aber letztendlich mußte auch der Mensch sich in natürliche Kreisläufe einfügen und
gerade die europäische Kulturlandschaft, entstanden aus der neolithischen
Landbewirtschaftung, ist eine Koevolution von Menschen, Haustieren, Wildtieren, Nutzpflanzen, Wildpflanzen,
Krankheiten, Böden und Klima. Die vorindustrielle Landwirtschaft hat in guten Zeiten die natürlichen Ressourcen
bis zum Äußersten genutzt, in schlechten Zeiten hat die Natur wieder Terrain zurückgewonnen. Aus diesem
Wechselspiel und einer extrem vielfältigen Nutzung entstand in Mitteleuropa eine Kulturlandschaft,
die um unzählige Arten und Aspekte ärmer wäre in ihrem "natürlichen" Zustand. An den Grenzen des Getreidanbaus
hat auch bis in die jüngste Zeit der Feuereinsatz immer eine Rolle gespielt, so in Heiden, Mooren und vielen
Mittelgebirgen.
Die Unterscheidung von extensiver und intensiver Landwirtschaft ist historisch betrachtet oft irreführend,
denn die frühere, extensiv genannte Landwirtschaft hat die Landschaft viel intensiver genutzt, als die heutige
intensive Landwirtschaft, die sich auf die guten Flächen beschränkt. Wer sieht, welche Probleme Naturschützern
und Landschaftspflegern die Offenhaltung z.B. der früheren Schafweiden selbst mit modernen Maschinen bereitet, kann
erahnen wie intensiv die frühere Nutzung gewesen sein muß.
Es ist auch falsch, eine shifting-cultivation als extensiv zu
betrachten, weil der Ertrag pro Gesamtfläche gering ist, denn der Ertrag der Anbaufläche ist sehr hoch und
die Begleitarten also Zeiger intensiver Nutzung!
Selbst ein langjähriger experimenteller Versuch wie er in Forchtenberg durchgeführt wird, kann nur Einzelaspekte
des Gesamtsystems erfassen, läßt aber erahnen, daß einfache Erklärungen kritisch zu betrachten sind.
Wir wissen vieles nicht: Wie wurde
mit Schädlingen umgegangen? Welche Wildpflanzen sind eher als Nutzpflanzen, welche als Unkräuter zu betrachten?
Wie würde unsere Versuchsfläche mit hier lebenden Menschen und Tieren anders aussehen?
Wie gelingt ein Daueranbau, ab wann kannte man Fruchtwechsel, Dünger, Pflug? Undsoweiter...
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